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1918 - 1933

Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik

1918

Nachdem der Kaiser am 9. November abgedankt hat und Philipp Scheidemann die Republik ausruft, werden die Regierungsgeschäfte an den SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert übertragen. Am 10. November bildet sich die neue Regierung der "Rat der Volksbeauftragten", der je drei Mitglieder von SPD und USPD angehören. Daneben bildet sich, mit dem Ziel der Errichtung einer sozialistischen Räterepublik, außerdem ein "Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte". In Zeilsheim bildet sich am 15. November ein eigener Arbeiter- und Soldatenrat, jedoch setzen sich die Befürworter einer Räterepublik nicht durch.

Durch den Waffenstillstandsvertrag als Sieger aus dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen, besetzen französische Truppen im Dezember weite Teile des linksrheinischen Reichsterritoriums. Am 14. Dezember rücken dabei auch 1.100 Soldaten in Zeilsheim ein und besetzen den Ort. Als Ersatz für die während des Krieges eingeschmolzenen Glocken erhält die Kirche die Glocke eines Bahnhofes der Ludwigsbahn (Bahnlinie Höchst-Limburg).

1919 / 1920

Am 18. Januar 1919 wird in Paris die Versailler Friedenskonferenz eröffnet, die ohne Beteiligung Deutschlands die Friedensbedingungen ausarbeitet. Am 19. Januar 1919 wird die Nationalversammlung als erstes demokratisches gesetzgebendes Gremium des Deutschen Reiches gewählt. Aufgabe der Nationalversammlung ist es, eine Verfassung zu erarbeiten und die Grundlagen für einen demokratischen deutschen Staat zu schaffen. Als ersten Reichspräsidenten wählt sie den SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert, Ministerpräsident wird der SPD-Politiker Philipp Scheidemann.

Am 7. Mai 1919 werden die Friedensbedingungen an Deutschland überreicht, das nur noch schriftlich gegen die bestehende Fassung protestieren und wenige Änderungen an der Vorlage durchsetzen kann. Deutschland ist über die oktroyierten Bedingungen des Vertrages nicht sehr glücklich, verliert es doch Posen und Westpreußen, sowie das im Deutsch-Französischen Krieg eroberte Elsaß-Lothringen. Darüber hinaus werden die linksrheinischen Gebiete, das Ruhrgebiet und Teile des Rhein-Main-Gebietes von Frankreich besetzt und die alleinige Kriegsschuld dem Deutschen Reich angelastet. Im Zuge der Androhung eines Einmarsches der Truppen der Siegermächte auf deutsches Territorium, unterzeichnet die Nationalversammlung den Versailler Vertrag am 28. Juni 1919.

Am 11. August 1919 wird die von der Nationalversammlung verabschiedete Reichsverfassung von Reichspräsident Ebert unterzeichnet. Am 10. Januar 1920 tritt der Vertrag von Versailles in Kraft und am 6. Juni 1920 werden die ersten freien Wahlen zum Reichstag durchgeführt.

1921 / 1922

Im Jahre 1920 wurde das Schulsystem demokratisiert. Die Eltern bekamen ein Mitspracherecht in Form eines Elternbeirates, der über verschiedene Listen zusammengesetzt ist. Die Elternbeiratswahl zeigt die schulpolitische Stimmung in Zeilsheim:

Katholische Liste             224 Stimmen = 11 Sitze
Unabhängige Sozialisten    90 Stimmen =   4 Sitze
Evangelische Liste             69 Stimmen =   3 Sitze
Mehrheitssozialisten          40 Stimmen =   2 Sitze

Da das Mitspracherecht der Eltern auch bei der Besetzung von Lehrerstellen gilt, bekommt die Zeilsheimer Schulszene schon bald einen politischen Akzent.

1921 kommt es zu einem erbitterten Schulkampf, als die sozialistischen Elternvertreter für die 39 "freireligiösen" Schüler die Einstellung des "freisinnigen" Lehrers Paul Schmitt fordern. Die christlichen Elternvertreter stimmen dieser Entscheidung jedoch nicht zu, und deshalb rufen die Sozialisten zum Schulstreik auf und besetzen am 1. Mai 1922 sämtliche Eingänge zur Schule. Katholische Väter bahnten daraufhin unter Anführung von Kaplan Müller schulwilligen Kindern den Weg ins Schulhaus.

Die Regierung in Wiesbaden ist auch nicht bereit nachzugeben und besteht auf der Einstellung des Lehrers Schmitt. Daraufhin drohen die Katholiken mit Schulstreik, und am 30. Juni 1922 bleiben etwa 360 katholische Schüler dem Unterricht fern. Der Streit kann erst beigelegt werden, als die Regierung in Wiesbaden Ende August 1922 die amtliche Erlaubnis erteilt, Schüler aus der Klasse des Lehrers Schmitt umschulen zu können.

kks 1925
Lehrerin Änne Jösch mit dem 2. Schuljahr (Klasse 7b) im Jahre 1925

1923

Die Wirtschaftskrise erreicht ihren Höhepunkt. Die Inflation der Währung ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass die Reichsregierung ständig neue Gesetze zur Prägung von Münzen mit immer größeren Nennwerten erlässt. Bis jedoch die Münzen geprägt und tatsächlich ausgegeben werden, sind sie schon wieder wertlos. Böse Stimmen behaupten, dass die Münzen nur noch geprägt werden, um die Arbeitsplätze zu erhalten.

Im Herbst ist die Reichsmark zur wertlosen Rechengröße herabgesunken. Um das Vertrauen der Bevölkerung und des Auslandes in die Währung zurückzugewinnen, sucht die Reichsbank nach einer überzeugenden Deckungsmöglichkeit. Aus diesem Grund wird am 15. Oktober die Deutsche Rentenbank in Berlin gegründet. Deren Rentenbriefe bilden die Deckung für die neue Währung, die aus diesem Grunde den Namen "Rentenmark" erhält. Ab 15. November werden die alten Reichsmark zum Kurs von 1 Billionen Reichsmark = 1 Rentenmark umgetauscht.

Damit erholt sich die deutsche Wirtshaft langsam wieder, jedoch sinkt das Vertrauen der Bevölkerung in den noch jungen deutschen Staat. Das politische Leben beginnt sich langsam zu radikalisieren. Die Parteien, die treu zur Verfassung stehen, verlieren an Stimmen, während die Gegner der Republik (KPD, DNVP, NSDAP) immer größere Stimmenzuwächse verzeichnen. 

1925

Am 1. Januar wird Friedrich von Boehn als Nachfolger von Heinrich Weil, der am 31. Dezember nach Eibingen versetzt wurde, neuer Pfarrer in Zeilsheim.

Pfarrer Friedrich von Boehn

Friedrich von Boehn

Pfarrer von Zeilsheim vom 01.01.1925 bis 30.04.1929

* 03.08.1884 in Wiesbaden
+ 16.01.1970 in Wiesbaden

 

 

Die Farbwerke stellen den dritten Abschnitt ihrer Werkswohnungen, die sogenannte "Neue Kolonie" fertig. Insgesamt wurden 154 weitere Wohnungen gebaut. Die Bevölkerung Zeilsheims wächst auf 4.504 Seelen.

Am 28. Februar stirbt Reichspräsident Friedrich Ebert. Damit verliert Deutschland einen seiner wichtigsten Befürworter der Weimarer Republik. Mit der Wahl des monarchistischen, greisen Feldmarschalls des Ersten Weltkrieges Paul von Hindenburg wird am 26. April einer der Gegner der Weimarer Republik zum Reichspräsidenten gewählt. Damit beginnt langsam das Ende der jungen Demokratie.

1926

Zeilsheim wird endlich auch an das öffentliche Nahverkehrsnetz der Stadt Höchst am Main angeschlossen. Die neu eingerichtete Buslinie Höchst-Sindlingen-Zeilsheim verbindet damit die beiden westlichen Vororte mit der Stadtmitte, der seit 1917 bestehenden Stadt Höchst am Main.

Auch bei der Lösung des Platzproblems in der Pfarrkirche bewegt sich wieder etwas. Der bekannte Frankfurter Architekt Martin Weber kann für das Bauvorhaben gewonnen werden. Es stellt sich nur noch die Frage, ob ein Neubau oder eine Erweiterung der vorhandenen Kirche erfolgen soll.

Deutschland kann in der Außenpolitik erstmals wieder Erfolge erzielen. Frankreich kann durch die Verträge von Locarno zur Räumung des Ruhrgebietes und der Kölner Zone, dem ersten Abschnitt der seit 1918 besetzten Rheinlande bewegt werden. In den Verträgen wird im Weiteren die Räumung des gesamten Rheinlandes in zwei weiteren Abschnitten bis zum Jahre 1930 festgelegt.

Nach der Annäherung an Frankreich und somit außenpolitisch saniert, gelingt Deutschland außerdem die Aufnahme in den Völkerbund, aus dem es unter Hitler 1933 allerdings wieder austritt.

1928

Die Stadt Höchst am Main wird nach Frankfurt eingemeindet. Zeilsheim hat im Jahr der Eingemeindung 4602 Einwohner. 

1929

Am 30. April wird Pfarrer Friedrich von Boehn wegen Differenzen um seine Person nach Wiesbaden abberufen. Neuer Pfarrer von Zeilsheim wird Wilhelm Rudersdorf, der am 1. Juli in sein Amt eingeführt wird.

rudersdorf

Wilhelm Rudersdorf

Pfarrer von Zeilsheim vom 01.07.1929 bis 08.12.1936

* 20.02.1891 in Ellar
+ 08.12.1936 in Würzburg

 

 

Mit dem Zusammenbruch der New Yorker Börse am 29. Oktober, dem sogenannten "Schwarzen Freitag" wird die Weltwirtschaftskrise eingeleitet. In Deutschland wirkt sich die Wirtschaftskrise durch die schlechte Lage der Wirtschaft auf Grund der Folgen des Krieges und der Reparationszahlungen besonders schlimm aus.

1930

Reichskanzler Hermann Müller-Franken wird am 28. März wegen seiner Vorlage zur Arbeitslosenversicherung vom Reichstag gestürzt. Neuer Reichskanzler wird Dr. Heinrich Brüning. Bei der Wahl zum Reichstag vom 14. September verliert Brüning seine politische Mehrheit und kann nur noch, gestützt auf Notverordnungen des Reichspräsidenten, der ihm sein volles Vertrauen schenkt, regieren. Damit ist die Demokratie so gut wie ausgeschaltet und der Reichstag seiner Mitbestimmungsrechte beraubt.

Viel schlimmer als der Verlust der parlamentarischen Mehrheit der Regierung Brüning sind jedoch die Stimmengewinne der NSDAP, die gegenüber der Wahl von 1928, bei der sie nur 12 Sitze im Reichstag erringen konnte, jetzt 95 Sitze mehr, nämlich 107 Sitze, im Reichstag besitzt.

1932

Endlich gelingt es der Gemeinde die Kirchenerweiterung in Angriff zu nehmen. In einer Pfarrversammlung am 29. März im Saalbau des "Löwen" wird der Gemeinde der Entwurf von Architekt Martin Weber vorgestellt, der die Erweiterung der bestehenden Kirche um ein quer zur alten Kirche stehendes Langschiff - einen hellen, einfachen, modernen Bau - vorsieht. Am 11. April schließlich wird vom Kirchenvorstand einstimmig der Beschluss gefasst, die Kirche entsprechend den Plänen von Martin Weber zu erweitern. Am 2. Mai wird unter der Bauleitung des Hofheimer Bauingenieurs Georg Müller mit den Arbeiten begonnen. Beim Bau werden besonders Arbeiter und Arbeitslose aus Zeilsheim beschäftigt.

Am Pfingstsonntag, dem 15. Mai wird feierlich der Grundstein des Erweiterungsbaus gelegt, nachdem zuvor das älteste Zeilsheimer Schulhaus niedergelegt wurde. In den folgenden Monaten arbeiten ständig mehr als 10 Menschen ohne heutige technische Hilfsmittel an dem Bau. Bei einer Arbeitszeit von 48 Wochenstunden erhalten die Arbeiter gerade mal einen Stundenlohn von 0,90 Reichsmark.

Bereits am 4. September können die neuen Glocken für den vorhandenen Glockenstuhl-Dachreiter geweiht werden. Die neuen Glocken heißen:

  • St. Bartholomäus (H')
  • Sancta Maria (D'')
  • St. Aloysius (E'')
gloc alt
Die Glocken bei der Weihe am 4. September 1932

Die alten Glocken (Maria Victoria und das Ludwigsbahnglöckchen), die bis dahin im Dachreiter der alten Kirche hingen, werden dem Schwesternhaus geschenkt und dort im kleinen Turm auf dem Dach des Hauses aufgehängt.

Die feierliche Konsekration der neuen Kirche (ohne Anstrich, Fußboden, Einrichtung, endgültige Fenster etc.) findet am 20. November durch Bischof Dr. Antonius Hilfrich statt. Die Gesamtkosten für die Erweiterung der Kirche betragen 65.039,51 Reichsmark und sind über den Kirchenbauverein, Kapital des Baufonds, Erbschaften, Firmenspenden, eine Diözesankollekte u.ä. beschafft worden.

erweiterung 1932
Die Innenausstattung der Kirche bei der Einweihung 1932
innenausstattung 1932
Altarraum 1932

Im gleichen Jahr wird auch mit dem Bau der Hellerhofsiedlungen im Bereich des Pflugspfades und der Kegelbahn begonnen.

Als Folge der Intrigen der "Kamarilla" um Hindenburg (General Kurt von Schleicher, Oskar von Hindenburg [Sohn des Reichspräsidenten], ostelbische Junker), die Reichskanzler Dr. Heinrich Brüning wegen seiner Sanierungs- und Siedlungspolitik agrobolschewistischer Neigungen verdächtigen, wird die Regierung am 30. Mai gestürzt. Nachfolger Brünings wird am 1. Juni Franz von Papen. Am 4. Juni wird der Reichstag aufgelöst. Bei den Neuwahlen am 31. Juli kann die NSDAP 230 Sitze im Reichstag erringen und wird damit stärkste Kraft. Hindenburg weigert sich jedoch, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. Da die Regierung von Papen mit 145 Sitzen keine parlamentarische Mehrheit besitzt, regiert der Reichskanzler nur noch gestützt auf Notverordnungen.

Die NSDAP kann bei den Landtagswahlen in Anhalt (21.05.32), Oldenburg (16.06.32), Mecklenburg-Schwerin (13.07.32) und Thüringen (26.07.32) die nötigen Mehrheiten erringen und stellt den Ministerpräsidenten und die Regierung; in Braunschweig, Lübeck und Mecklenburg-Strelitz ist sie an der Regierung beteiligt. Den härtesten Schlag jedoch muß die Weimarer Republik hinnehmen, als die NSDAP bei der Landtagswahl in Preußen am 24. April zur stärksten Fraktion gewählt wird und damit die absolute Mehrheit der seit 1920 gemeinsam regierenden Parteien (SPD, Zentrum und DDP) bricht. Damit ist Preußen als größter Teilstaat des Reiches unregierbar geworden.

Am 12. September lässt Reichskanzler von Papen den Reichstag erneut auflösen, weil er wegen seiner Notverordnungen zur Durchführung des "Papen-Plans" zur Ankurbelung der Wirtschaft vom Reichstag niedergestimmt wird. Bei der Reichstagswahl am 6. November muss die NSDAP zwar Verluste hinnehmen, bleibt aber mit 196 Sitzen dennoch stärkste Partei. Die Regierungsparteien können zwar leichte Gewinne verzeichnen, doch besitzen sie mit 155 Sitzen noch immer keine regierungsfähige Mehrheit.

Reichskanzler von Papen versucht weiterhin mit Notverordnungen zu regieren, doch sein Plan, einen autoritären "Neuen Staat" unter Ausschaltung des Reichstages und gestützt auf die Reichswehr zu errichten, scheitert, und von Papen tritt am 17. November zurück.

Am 3. Dezember wird General Kurt von Schleicher zum neuen Reichskanzler ernannt. Sein Versuch, eine Spaltung der NSDAP mit Hilfe des sozialistischen Flügels um Georg Strasser herbeizuführen und die Mittelparteien, Gewerkschaften und SPD für seine Politik zu gewinnen, schlägt fehl.

Verfasser:

Alexander von Janta-Lipinski

Quellen:

Vollert, Adalbert:
Zeilsheim - Ein Frankfurter Stadtteil in alter und neuer Zeit (Herausgegeben von der Frankfurter Sparkasse von 1822)

Kinder, Hermann; Hilgemann, Werner:
dtv-Atlas zur Weltgeschichte Band 1, 24. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1990

Kinder, Hermann; Hilgemann, Werner:
dtv-Atlas zur Weltgeschichte Band 2, 28. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1994

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